49-Euro-Ticket Das Deutschlandticket wird wohl teurer, damit es bleiben kann

Volker Wissing, Bundesverkehrsminister (FDP) Quelle: imago images

Wer soll in Zukunft für das Deutschlandticket bezahlen? Die Frage bleibt offiziell ungeklärt – dabei ist die Richtung längst allen klar.

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Was nach einer Einigung klingt, stößt vielen auf. Nach monatelangem Streit um die Finanzierung des Deutschlandtickets haben Bund und Länder sich zwar auf einen Mechanismus geeinigt, um neu entstandene Mehrkosten auszugleichen. So sollen nicht ausgegebene Mittel aus dem Jahr 2023 auch im kommenden Jahr Verwendung finden, um das Ticket zu bezahlen. Ob das ausreicht, um die Lücke von 400 Millionen Euro zu füllen, wie sie der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) errechnet hat, bleibt dabei aber unklar. Die Positionen sind dabei im Grunde gleich geblieben: Bundesverkehrsminister Volker Wissing hält die Finanzierungsdebatte für unnötig, die Länder kritisieren ungeklärte Fragen.

Die Fragen und Sorgen kommen teilweise direkt von den Verkehrsunternehmen, die den Fahrgästen Busse und Bahnen zur Verfügung stellen. 

Zum Beispiel der Mühlenkreisbus im Kreis Minden-Lübbecke in Nordrhein-Westfalen: Die meisten Inhaber des Deutschlandtickets hier sind Schüler, weil die anderen auf dem Land das Auto bevorzugen. Geschäftsführer Johannes Marg betreibt 50 Omnibusse. Das Deutschlandticket habe seinen Job erschwert, berichtet er: Vor allem veränderten sich die Zahlungsströme. Das Geld kommt nicht mehr durch den eigenen Verkauf der Zeitkarten, sondern über Umwege, teilweise über Kommunen und Verkehrsverbünde. Weil die Überweisungen lange dauern, gerate er in „erhebliche Liquiditätsprobleme“. „Mehrere Millionen Euro“ muss er im Moment vorfinanzieren, nicht wenig für ein Unternehmen seiner Größe. „Das ist ein erhebliches Risiko“, sagt er.

Höherer Preis „nicht auszuschließen“

Die Minister sollen nun ein Konzept erarbeiten, das sie vor dem 1. Mai präsentieren sollen, wenn das Ticket ein Jahr alt wird. „Einschließlich eines Mechanismus zur Fortschreibung des Ticketpreises, der auch eine Erhöhung beinhalten kann“, wie es aus Regierungskreisen heißt. Ergo: Das Ticket wird vermutlich teurer, damit es weiter angeboten werden kann. Hinter den Regierungskulissen heißt es dazu: „Wir haben das Ticket ja bewusst D-Ticket genannt und nicht 49-Ticket, weil ein höherer Preis von Anfang an nicht auszuschließen war.“

Am Mittwoch geht der Streit um das Deutschlandticket in Köln weiter. Beim Vorsitzenden der Verkehrsministerkonferenz, Oliver Krischer, neigt sich die Geduld mit Volker Wissing dem Ende.
von Max Biederbeck

Auch der Chef der Landesministerkonferenz, NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne), hatte bereits vor dem Treffen im Kanzleramt gewarnt, dass sich das Ticket am Ende nur noch über einen höheren Preis finanzieren lasse. Das würde viele Menschen allerdings abschrecken und so eine neue Finanzierungslücke erzeugen. Alternativ könnten die Länder ihre Leistungen reduzieren, also Züge abbestellen. Dann würde sich das Ticket allerdings als Produkt verschlechtern. 

Auch von der Verbraucherzentrale gibt es heftige Kritik. Von der nächsten Runde im Zerren um das Ticket, spricht die vzbv-Vorständin Ramona Pop. „Bund und Länder haben es versäumt, Verbraucherinnen Planungssicherheit zu geben“, kritisiert Pop. Stattdessen müsse man nun mit Preiserhöhungen rechnen. Eine Meinung, die auf der Oppositionsbank in Berlin geteilt wird. „Das Ergebnis der MPK zum 49-Euro-Ticket ist enttäuschend und schiebt das Problem auf die lange Bank“, sagt CDU-ÖPNV-Berichterstatter Michael Donth. Entstanden sei ein „fauler Kompromiss“ mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Preissteigerung. 

30 Prozent mehr Fahrgäste

Ab welcher Höhe Preiserhöhungen schädlich für die Fahrgastzahlen wären, kann bislang niemand mit Sicherheit sagen. Dass ein neuer Preis Folgen hätte, gilt aber als ausgemacht. „Schon Steigerungen über zehn Prozent würden auf erhebliche Vorbehalte der Nutzer stoßen“, sagt ein Brancheninsider, der mit Tarifpraktiken vertraut ist. Bei dem im Moment zur Diskussion stehenden neuen Tarif von 59 Euro wären es sogar 20 Prozent. 

Bislang nutzen das Ticket knapp zehn Millionen Abonnenten. Für Frank Zerban vom Bundesverband SchienenNahverkehr (BSN) „ein voller Erfolg“. „Fahrgaststeigerungen von teilweise 30 Prozent in einem Jahr hatten wir noch nie“, sagt Zerban und verweist nicht nur auf Zuwächse in Städten, sondern auch „große Steigerungen“ auf dem Land.



Und die gelte es zu fördern, so Zerban. Einerseits durch Klarheit bei der Finanzierung des Tickets. Aber auch durch die Ausweitung des Angebots bei Verbindungen und Strecken. 

Seit Jahren pochen Verbände und Unternehmen darauf, den Fern- und Nahverkehr durch zusätzliche Strecken und einen höheren Verkehrstakt attraktiver zu machen. Geschehen ist bislang wenig. Während beispielsweise auf der Schiene in den vergangenen Jahren einige Kilometer Gleise und Oberleitungen neu gebaut wurden, liegt der Ausbau in diesem Jahr bei null, so die Berechnungen des Verbandes der privaten Güterbahnen. Auch für die nächsten Jahre sieht deren Geschäftsführer Peter Westenberger schwarz. Gerade einmal jährlich 1,2 Prozent neuer Gleise habe der Bund bis 2030 geplant. „Für ausreichend Wachstum auf der Schiene zu wenig“, sagt Westenberger.

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Und auch Zerban glaubt nicht, dass sich am Ausbau des Angebots bald etwas ändern wird. „Für eine wirkliche Verkehrswende fehlen die Mittel“, sagt er. Das bringe die Debatte um die Finanzierung des Deutschlandtickets auf den Punkt.

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