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Europäischer Gerichtshof Speicherzeit und Score: Was folgt aus dem Schufa-Urteil?

Papiere der Schufa
Das Urteil des EuGH zur Schufa bedeutet vor allem eins: Mehr Transparenz darüber, wie die Daten verarbeitet werden
© IMAGO / imagebroker / IMAGO
Der EuGH schränkt die Verwendung des Schufa-Scores und damit das automatisierte Erfassen von Kreditdaten ein – mit positiven Folgen für Verbraucher 

Worum ging es bei dem Fall vor dem EuGH?

Der konkrete Fall wurde dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom Verwaltungsgericht Wiesbaden vorgelegt: Eine Kundin hatte keinen Kredit bekommen, weil ihre Schufa-Bewertung zu schlecht war. Sie hatte von der Schufa Zugang zu ihren Daten verlangt, aber nur den Score-Wert und allgemeine Informationen zur Berechnung erhalten. Denn wie der Score genau berechnet wird, ist nicht bekannt. Bei der Verhandlung ging es daher um eine grundsätzliche Frage: Inwiefern verstößt das Modell des Scorings gegen die EU-Datenschutzregeln?

Die Schufa Holding AG ist ein privates Unternehmen. Die Auskunftei sammelt und speichert die Daten von Verbraucherinnen und Verbrauchern und erstellt auf dieser Grundlage einen Bonitätsscore. Nach eigenen Angaben besitzt die Schufa Informationen zu 68 Millionen Menschen in Deutschland. Der Score sagt etwas über die Kreditwürdigkeit einer Person aus und hat oft großen Einfluss darauf, ob jemand einen Vertrag oder Kredit bekommt – wie im Fall der betroffenen Kundin. Banken und Sparkassen verlangen den Score, aber auch andere Unternehmen, die beispielsweise Energie- und Handyverträge anbieten.

Verbraucherinnen und Verbraucher können sich dem Scoring kaum entziehen. In vielen Fällen müssen sie vor Vertragsschluss einer Prüfung ihrer Bonität durch die Schufa zustimmen, damit ein Vertrag überhaupt zustande kommen kann. 

Wie urteilte der EuGH?

Das aktuelle Scoring-Verfahren der Schufa verstößt gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) – unter einer Voraussetzung: Der Schufa-Score muss bei der Entscheidung des Vertragspartners ein maßgebliches Kriterium sein, also ob zum Beispiel die Bank deshalb einen Kredit vergibt oder nicht. Im Fall der Klägerin müsse man davon ausgehen, dass der Score entscheidend war, sagten die Richter. Das automatisierte Sammeln der Daten könne Menschen diskriminieren und sei somit rechtswidrig. Denn die EU-Datenschutzgrundverordnung verbietet genau diese automatisierte Erfassung, wenn es für den einzelnen Rechtsfolgen hat. 

Der EuGH hat der Schufa also deutliche Grenzen aufgezeigt. Der oben beschriebene Fall muss nun abschließend in Wiesbaden verhandelt werden, denn das Urteil des EuGH bezieht sich erst einmal auf europäisches Recht. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass das deutsche Gesetz gegen das europäische verstößt.

Was bedeutet das Urteil für Verbraucherinnen und Verbraucher?

Bis zur abschließenden Klärung hat das Urteil somit erst einmal keine konkreten Folgen. Allerdings gilt es als richtungsweisend, da nun die Grundlage für höhere Transparenzanforderungen geschaffen ist. Es muss nun erklärt werden, wie die Verarbeitung der Daten funktioniert.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (Vzbv) bewertet das Urteil daher grundsätzlich positiv.„Bisher mussten Wirtschaftsauskunfteien nur sehr begrenzt Auskunft über ihr Scoringverfahren geben“, sagt Johannes Müller vom Vzbv gegenüber Capital. Mit dem Urteil seien jetzt die Weichen für mehr Transparenz gestellt. „Verbraucherinnen und Verbraucher müssen nun über die Logik des Verfahrens aufgeklärt werden. Ziel muss ein nachvollziehbar dargestelltes Scoringergebnis sein.“ Dass Unternehmen infolge des Urteils misstrauischer werden und Kundenanträge häufiger ablehnen, glaubt Müller nicht.

Auch der Verein Finanzwende hält das Urteil des EuGH für richtig. „Die Macht der Schufa bröckelt – das wird auch höchste Zeit“, sagt Michael Möller, Verbraucherschutzexperte bei Finanzwende. „Die Schufa enthüllt ihr Scoring-Verfahren immer nur ausschnittsweise und beruft sich ansonsten auf das Geschäftsgeheimnis”, sagt Möller. Das habe mit der Transparenzoffensive, die das Unternehmen versprochen hat, wenig zu tun. „Aus der Gerichtsentscheidung folgt, dass es für das Argument ‘Geschäftsgeheimnis’ Grenzen gibt – und zwar da, wo es die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher berührt.”

Die Schufa selbst begrüßt das Urteil grundsätzlich, weil es für Klarheit sorge. Sie hat erst einmal aber nicht vor, ihre Geschäftspraxis einzuschränken, hieß es in einer Erklärung. Darin hinterfragt sie die Annahme, der Score trage maßgeblich zur Entscheidung von Unternehmenskunden bei, ob sie Verbrauchern bestimmte Dienstleistungen anbieten oder nicht. „Das weit überwiegende Feedback unserer Kunden lautet, dass Zahlungsprognosen in Form des Schufa-Scores für sie zwar wichtig, aber in aller Regel nicht allein entscheidend für einen Vertragsabschluss sind“, so die Schufa.

Wie lange darf die Schufa Einträge nun speichern?

Der EuGH entschied in einem zweiten Fall auch über die Frage, wie lange Auskunfteien Daten aus öffentlichen Verzeichnissen wie etwa Insolvenzregistern speichern dürfen. Bisher speicherten Schufa und Co. die Daten zu Privatinsolvenzen oft bis zu drei Jahre lang. Die Richterinnen und Richter mussten entscheiden, ob die Schufa dies darf und Daten noch länger speichern kann als die Gerichte. Die Antwort der Juristen nun: Nein, es verstoße gegen die DSGVO, wenn private Auskunfteien solche Daten länger speicherten als öffentliche Insolvenzregister. Denn die erteilte Restschuldbefreiung soll der betroffenen Person ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen; bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit werde dies aber stets als negativer Faktor verwendet.

Diese Praxis hatte die Schufa bereits im Frühjahr dieses Jahres geändert, nachdem sich im März der Generalanwalt am EuGH in seinem Gutachten bereits sehr kritisch zur Speicherzeit geäußert hatte. Daraufhin hatten die Schufa und die ebenfalls private Auskunfei Creditreform die Speicherfrist der Einträge freiwillig von drei Jahren auf sechs Monate verkürzt.

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