Kampf um stabile Preise

Zehnmal steigende Zinsen in Folge: die historische Erhöhung der EZB

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB).

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB).

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Jetzt hat sie es doch getan: EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat am Donnerstagnachmittag eine weitere Erhöhung der Leitzinsen um jeweils 0,25 Prozentpunkte verkündet. Hauptgrund ist, dass die Inflation langsamer zurückgeht, als die Europäische Zentralbank bislang erwartet hatte.

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Der sogenannte Hauptrefinanzierungssatz steigt auf 4,5 Prozent. Dieser Leitzins definiert, wie teuer es für Geschäftsbanken ist, sich Geld bei der EZB zu leihen. Der Einlagensatz liegt künftig bei 4 Prozent. Hierbei geht um die Höhe der Zinsen, die die EZB zahlt, wenn Banken bei ihr Geld kurzfristig parken.

Zum zehnten Mal in Folge steigen die Zinsen: einmalig in der Geschichte der EZB

In der Pressemitteilung der Notenbank heißt es: „Die Inflation geht weiter zurück. Es wird jedoch nach wie vor erwartet, dass sie zu lange zu hoch bleiben wird.“ Der EZB-Rat sei entschlossen, für eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Ziel von 2 Prozent zu sorgen. Um den Fortschritt in Richtung dieses Ziels zu verstärken, würden die Zinsen erhöht – zum zehnten Mal in Folge, was einmalig in der Geschichte der Notenbank ist. Der Rat ist das oberste Beschlussgremium der Notenbank.

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Markus Demary vom Institut der deutschen Wirtschaft, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland: „Die Zinserhöhung kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt, weil es ohnehin schon eine Rezessionstendenz gibt. Die Unternehmen werden mehr bezahlen müssen für Kredite. Sie zahlen bereits schon mehr für Energie, Rohstoffe und Löhne.“ Die Unternehmen würden daher geplante Investitionen aufschieben. Lagarde betonte hingegen: „Wir wollen keine Rezession verursachen oder verstärken, aber wir wollen Preisstabilität herstellen.“

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Die Frankfurter Behörde machte auch deutlich, dass die Leitzinsen nun ein Niveau erreicht hätten, das „einen erheblichen Beitrag zu einer zeitnahen Rückkehr der Inflation auf den Zielwert leisten wird“. Zukünftige Beschlüsse würden dafür sorgen, dass die Leitzinsen so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden. Expertinnen und Experten hatten bereits im Vorfeld eine derartige Ansage erwartet, die sie als Ankündigung für eine baldige Zinserhöhungspause werten. Ein Szenario dabei ist, dass es nun zumindest bis zum Jahresende keine weiteren Aufschläge mehr gibt.

Bereits im März könnte es schon wieder zu Zinssenkungen kommen

Mehrere renommierte Ökonominnen und Ökonomen gehen davon aus, dass es dann bereits im März die erste Zinssenkung geben könnte. Laut Finanzdienst Bloomberg werden von der Mehrheit der Akteure an den Finanzmärkten die günstigeren Konditionen fürs Ausleihen von Geld aber erst für den nächsten Sommer erwartet.

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Die aktuelle Entscheidung des EZB-Rats bedeutet für Sparerinnen und Sparer, dass sie beim Tages- und Festgeld mehr bekommen können – inzwischen werben Kreditinstitute mit bis zu 4 Prozent fürs Tagesgeld. Auf der anderen Seite dürften sich Kredite für private Häuslebauer und für Projektentwickler verteuern.

Der Wohnungsmangel droht zu eskalieren.

Oliver Wittke,

Chef des Dachverbands der Immobilienwirtschaft

Der Dachverband der Immobilienwirtschaft (ZIA) forderte denn auch prompt zusätzlichen „politischen Schub“. ZIA-Chef Oliver Wittke: „Der Wohnungsmangel droht zu eskalieren.“ Der Verband fordert unter anderem ein Kreditprogramm der staatlichen Förderbank KfW mit einem Zinssatz von 2 Prozent für Neubauten und ein Aussetzen der Grunderwerbssteuer.

Von Friedrich Heinemann vom Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW gab es Applaus für Lagarde: Die Zinserhöhung sei „wichtig und wertvoll“. Die Entschlossenheit in der Inflationsbekämpfung sei vor allem ein Signal an die Lohnpolitik: „Tarifverhandlungen sollen sich darauf verlassen können, dass spätestens 2025 die Rückkehr zur Preisstabilität gelingt und die Löhne keine Aufschläge für zukünftige Inflation benötigen.“

Inflationsrate meilenweit vom 2-Prozent-Ziel entfernt

Geldpolitik ist derzeit eine extrem schwierige Angelegenheit. Preisstabilität ist das oberste Ziel aller Bestrebungen der EZB. Die Inflationsrate in der Euro-Zone ist aber vom 2-Prozent-Ziel meilenweit entfernt. Im August verharrte sie bei 5,3 Prozent – in Deutschland lag sie bei 6,1 Prozent.

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Noch größere Sorgen bereitet den Notenbankern, dass auch die Kernrate im Währungsraum bei 5,3 Prozent liegt, dabei handelt es sich um die Teuerung ohne Berücksichtigung der stark schwankenden Preise für Energie und Nahrungsmittel – dies ist ein Zeichen dafür, dass sich die Inflation tief in die Ökonomie der Euro-Zone hinausgefressen hat. Hinzu kommt, dass die Rohölpreise gerade auf den höchsten Wert seit Anfang November 2022 gestiegen sind und die Internationale Energieagentur weitere Verteuerungen prognostiziert hat.

Andererseits haben insbesondere Notenbankchefs von Südländern – wie der Portugiese Mario Centeno – davor gewarnt, dass ein weiterer Anstieg der Kreditkosten die wirtschaftliche Entwicklung lähmen könnte. Die aktuellen Projektionen der EZB-Volkswirte gehen indes davon aus, dass die Teuerung in diesem Jahr im Schnitt bei 5,6 Prozent liegen wird, noch im Juni waren nur 5,4 Prozent erwartet worden. 2024 soll die Inflationsrate dann 3,2 und 2025 noch 2,1 Prozent ausmachen. Seit Wochen war das Votum des Rats mit Spannung erwartet worden. Die Leitzinsen wirken direkt und indirekt auf fast alle Bereiche der Wirtschaft.

Zinsentscheidung war im Vorhinein völlig offen

Üblich ist, dass die Führungsriege der EZB und die Notenbankchefs der 20 Mitgliedsländer der Euro-Zone vor Zinsentscheidungen mehr oder weniger deutlich signalisieren, in welche Richtung es geht. Diese Signale sollen Verwerfungen an den Finanzmärkten verhindern.

Erstmals seit vielen Jahren war diesmal aber bis zu Beginn der Sitzung des EZB-Rats völlig unklar, ob sich seine 26 Mitglieder für eine Zinspause oder für eine weitere Erhöhung entscheiden. Nach Umfragen des Finanzdienstes Bloomberg hatten 34 befragte Ökonominnen und Ökonomen ein Einfrieren der Zinssätze prognostiziert, 32 hatten weitere Aufschläge erwartet. Bei den Händlern an den Geldmärkten, deren Geschäfte eng mit dem Agieren der Notenbank verknüpft sind, war die Stimmung zuletzt in Richtung Zinserhöhung gekippt.

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