Es geht oft blitzschnell. Eben steht man noch an der Ampel, dann schlägt es schon von hinten ein. Ein anderes Auto knallt mit Karacho ins Heck und verformt das Hinterteil des eigenen Fahrzeugs. Wenn es nur ein Blechschaden ist und keine Personen Verletzungen davongetragen haben, kann man sich schon einmal glücklich schätzen.

"Technischer Totalschaden" und "Wirtschaftlicher Totalschaden"

Nach dem ersten Schreck folgt die Reparatur des eigenen Wagens. Wenn man ohne eigenes Verschulden in einen Unfall verwickelt wird, übernimmt die gegnerische Kfz-Versicherung die Kosten der Instandsetzung. Doch bisweilen fällt das Verdikt der Werkstatt vernichtend aus: "Totalschaden". Dabei unterscheidet man zwischen einem "Technischen Totalschaden" und einem "Wirtschaftlichen Totalschaden". Bei ersterem Fall ist das Auto irreparabel beschädigt. Beim "Wirtschaftlichen Totalschaden" übersteigen die Kosten für die Instandsetzung des Fahrzeugs den Wert des Autos. Doch so einfach, wie es scheint, ist es nicht.
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Zeitwert ist nicht gleich Wiederbeschaffungswert

Um einen "Wirtschaftlichen Totalschaden" als solchen zu klassifizieren, muss zunächst einmal der Wiederbeschaffungswert festgelegt werden. Das ist die Summe, die man aufwenden müsste, um ein gleichwertiges Fahrzeug, wie das eigene zu erstehen. Da spielen viele Faktoren eine Rolle: die Ausstattung, die Kilometerleistung, wie gepflegt das Auto ist und die Region, in der man lebt. Dass in einer finanzstarken Gegend die Preise höher sind, als in anderen Landstrichen dürfte jedem einleuchten. Der Wiederbeschaffungswert ist allerdings nicht identisch mit dem Zeitwert, sondern liegt in der Regel etwa 20 bis 25 Prozent über dem diesem. Denn der Zeitwert reflektiert den Wert, den das Auto zum Zeitpunkt des Unfalls hatte. Dagegen ist beim "Wiederbeschaffungswert" die Gewinnmarge des Autohändlers einbezogen.

Wichtig: Gutachten einholen!

Die Grundlage für die Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes sind Dokumente wie die DAT-Liste oder Schwacke-Liste. Allerdings sind in diesen Unterlagen immer nur Durchschnittswerte aufgeführt: also Fahrzeuge, die Mitte des Jahres (1. Juni) zugelassen sind, die eine durchschnittliche Kilometerlaufleistung und Ausstattung haben. Ist Ihr Auto im November zugelassen, steht ihnen schon mal ein höherer Betrag zu. Da Versicherungen aber gerne auf diesen Einheitswert pochen, ist es ratsam, einen Gutachter mit der Schätzung des eigenen Autos zu beauftragen. Der bezieht alle Besonderheiten des Fahrzeugs in die Wertermittlung ein – auch den Zustand. Wer seinen Liebling also gehegt und gepflegt hat, darf auch eine höhere Entschädigung erwarten. Schließlich würde man beim regulären Verkauf ebenfalls mehr Geld für ein schmuckes Fahrzeug bekommen.
 
Die Ausstattung steigert den Wert des Fahrzeugs bisweilen erheblich. Bei manchen Herstellern ist die Basisvariante oft recht karg ausgestattet, Sonderausstattungen können den Wert des Autos erheblich steigern. Auch Nachrüstlösungen fließen in das Gutachten ein. Schließlich hat der Autofahrer Geld investiert, um sein Auto in genau diesen Zustand zu versetzen.

Nicht unter Druck setzen lassen!

Bisweilen lehnen Versicherungen dieses Ergebnis ab und kontern mit einem eigenen Vorschlag, der sich auf die Ergebnisse einer Online-Preisermittlung bezieht. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Denn verschiedene Gerichte haben festgestellt, dass der Wiederbeschaffungswert dem durchschnittlichen Händlerverkaufspreis der Region des Geschädigten gleichzusetzen ist. Insofern hilft es durchaus, auf seinem Recht zu bestehen und sich gegebenenfalls von einem Anwalt beraten zu lassen.

Was ist die 130-Prozent-Regel?

Wenn es um einen Unfall geht, stolpert man oft über die 130-Prozent-Regel. Die gibt dem Geschädigten noch einen Extra-Puffer von 30 zusätzlichen Prozent des Wiederbeschaffungswertes, wenn er sein Auto unbedingt reparieren lassen will. Die Versicherungen müssen bis zu dieser Grenze die Reparaturkosten (oft zähneknirschend) begleichen. Erst wenn die Aufwendungen für die Instandsetzung des Fahrzeugs mehr als 130 Prozent über dem Wiederbeschaffungswert liegen, handelt es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden. Bei einem Wiederbeschaffungswert von 10.000 Euro darf das Auto also für maximal 13.000 Euro repariert werden. Natürlich muss die Reparatur durch Belege nachgewiesen werden und das Auto noch mindestens sechs Monate im Besitz des Halters bleiben. Die Prüfung des Wiederbeschaffungswertes ergibt durchaus Sinn, denn die Versicherung zahlt bei einer normalen Schadensabwicklung die Differenz aus Wiederbeschaffungswert und Restwert. Wenn in dem genannten Fall der Restwert bei 2500 Euro läge, bekäme der Geschädigte 7500 Euro.
Seit einiger Zeit haben die Versicherungen das Recht, bei Schäden, die über ein Gutachten abgerechnet werden, die Mehrwertsteuer beziehungsweise Umsatzsteuer abziehen. Beim Wiederbeschaffungswert ist eine ähnliche Praxis festzustellen, die oft zu unterschiedlichen Interpretationen führt. Bei einigen Gerichtsurteilen setzt sich zunehmend die Ansicht durch, dass entscheidend ist, ob ein Fahrzeug nur noch auf dem Privatmarkt zu ergattern ist oder nicht. Das ist oft bei Autos der Fall, die älter als zehn Jahre sind. Bei anderen Fahrzeugen greift die Differenzbesteuerung beziehungsweise Regelbesteuerung (siehe Info-Kasten unten). Fein raus sind die Besitzer von neuen Autos falls sie eine Neupreisentschädigungs-Schutzklausel in der Police haben. Dann bezahlt die Versicherung nämlich den Listenpreis und nicht – wie normalerweise üblich – den Zeitwert.

Das müssen Sie wissen!

Im Zusammenhang mit dem Wiederbeschaffungswert fallen oft Begriffe wie "regelbesteuert", "differenzbesteuert" und "steuerneutral". Hinter diesen Fachausdrücken stecken Tatsachen, die für Sie im Schadensfall relevant sein könnten. Es geht nämlich darum, wie viel die Versicherung von der Schadenssumme abziehen darf, die auf Basis des Wiederbeschaffungswerts ermittelt wird. Dann wird aber immer noch der Restwert des verunfallten Fahrzeuges abgezogen.
Info: Schadensabrechnung und Mehrwertsteuer
1. Regelbesteuert: Die vollen 19 Prozent Mehrwertsteuer werden bei Nutzfahrzeugen und gewerblich genutzten Automobilen fällig. Auch recht neue Fahrzeuge, wie etwa eine sechs Monate alte S-Klasse, werden mit dem Regelsteuersatz belegt. Wichtig ist dabei auch, ob das Fahrzeug quasi noch im Schaufenster des Autohauses stehen könnte.
2. Differenzbesteuert: Die Differenzbesteuerung wird bei älteren, zum Beispiel bei vier bis sechs Jahre alten Autos, angewendet. Da geht man davon aus, dass der Autohändler das Auto ankauft und mit einem Gewinn von etwa 20 bis 25 Prozent weiterveräußert. Dann wird die Mehrwertsteuer anteilig berechnet. Als Grundlage dient aber nur der Profit des Händlers. In der Regel sind das etwa 2,5 Prozent des Wiederbeschaffungswertes.
3. Steuerneutral: Wird ein Kfz nur noch von privaten Autoverkäufern angeboten, dann ist es "steuerneutral". Dann gibt es keine Abzüge und der volle Wiederbeschaffungswert wird erstattet. Das ist oft bei Oldtimern der Fall.