5,5-Zoll-Smartphone
Huawei P9 Plus im Test
Wenn das P9 die Pflicht war, dann ist das P9 Plus die Kür. Huawei optimiert das Flaggschiff überall ein bisschen und heraus kommt am Ende ein Überflieger, der sich nur den Galaxy-S7-Modellen geschlagen geben muss. Unser Testeindruck vom Huawei P9 Plus.
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Nur 0,3 Zoll, also 7,6 Millimeter größer ist die Display-Diagonale des Plus-Modells im Vergleich mit dem normalen Huawei P9 (Test). Was sich winzig anhört, macht in der Hand einen großen Unterschied. Während der Daumen beim P9 noch gerade so den oberen Rand des Touchscreens erreicht, lässt sich das P9 Plus nicht mehr einhändig bedienen.
Auch der Gewichtsunterschied von 18 Gramm ist im Alltag viel größer als auf dem Papier. Um es kurz zu machen: Das P9 Plus ist spürbar größer und schwerer als das Schwestermodell. Für ein 5,5-Zoll-Smartphone sind die Werte aber völlig normal - wer ein großes Display haben möchte, muss in diesen sauren Apfel beißen.
Trotz der Größenunterschiede sieht man auf den ersten Blick, dass beide Modelle zur gleichen Produktlinie gehören, das Design ist sehr ähnlich. Auch beim Plus zeigt Huawei sein Können in Form eines geschlossenen Aluminiumkorpus, der allerhöchsten Qualitätsansprüchen gerecht wird. Ein paar Unterschiede gibt es aber doch: Während das P9 in Schwarz und Weiß erhältlich ist, bringt Huawei von der Plus-Version nur eine schwarze und eine goldene Variante, Letztere ist exklusiv bei Vodafone erhältlich.
Bei beiden ist der gebürstete Aluminiumrücken mit einer transparenten Lackierung veredelt. Die Lackschicht lässt das Metall in einem besonderen Glanz erstrahlen, der Hingucker-Effekt ist aber schnell verbraucht, weil schon nach kurzer Zeit Fingerabdrücke und auch Kratzer das schöne Bild trüben.
Mehr Unterschiede als erwartet
Während das P9 momentan bereits für 450 Euro über die Ladentheken wandert, was in Anbetracht des Gebotenen ein außerordentlich guter Preis ist, bekommt man das Plus-Modell nicht unter 650 Euro. Da erwartet der Käufer natürlich etwas mehr als nur ein größeres Display. Und tatsächlich verändert Huawei das Gerät an mehr Stellen als wir zunächst angenommen haben.
So ist das Display nicht nur gewachsen, auch die technische Basis haben die Chinesen ausgetauscht: Während das P9 mit einem leuchtstarken LCD kommt, ist beim Plus ein druckempfindliches OLED im Einsatz, das zwar kontrastreicher und blickwinkelstabiler, unter freiem Himmel allerdings nicht so gut ablesbar ist. Wie unsere Messungen zeigen, ist aber die Qualität beider Panels top, diesbezüglich muss man sich keine Sorgen machen.
Die Speicherausstattung wurde ebenfalls verändert. Zwar ist mit dem Kirin 955 der gleiche Achtkern- Chipsatz eingebaut, statt 3 GB Arbeitsspeicher sind aber 4 GB aufgelötet, der interne Speicher wurde von 32 auf satte 64 GB aufgestockt. Davon sind ab Werk etwa 52 GB frei - wem das immer noch nicht reicht, der kann per Micro-SD weiter ausbauen.
Die Systemoberfläche EMUI 4.1 überzeugt wieder - vor allem Präzision und Geschwindigkeit des rückseitigen Fingerabdrucksensors beeindrucken. Auffällig: Während des Testzeitraumes erreichte unser Gerät ein System-Update - ein Zeichen dafür, dass Huawei den Software-Support, der bisher nicht mit Apple, Lenovo oder Samsung mithalten konnte, endlich ausbaut? Man wird sehen.
2-Wege-Soundsystem
Neben den vom P9 bekannten Standards (unter anderem USB Typ C und WLAN mit 5 GHz) unterstützt das P9 Plus auch Infrarot, einem Einsatz als Fernbedienung fürs Heimnetz steht also nichts im Wege. Die Kamera-Ausstattung hat Huawei ebenfalls aufgebohrt: Die charakteristische Leica-Doppellinse, die eine sehr gute Bildqualität liefert, wird jetzt von einem optischen Bildstabilisator unterstützt, was zum einen die Schärfe bei Nachtaufnahmen mit längerer Belichtungszeit verbessert, zum anderen Verwackler bei Videos reduziert.
Die Filmfunktion bleibt allerdings weiter eine Schwachstelle: Auch mit dem P9 Plus ist die Auflösung auf Full-HD (1920 x 1080) beschränkt, während die Konkurrenz von Apple (iPhone 6s) bis Samsung (Galaxy S7) bereits 4K-Aufnahmen ermöglicht.
Eine weitere Schwachstelle bilden die Musikfunktionen, denn neben einem Radio fehlt auch ein Equalizer - zumindest eines von beiden gehört in der Preisliga ab 600 Euro einfach dazu. Immerhin überzeugt die Klangqualität über die Lautsprecher: Während das P9 mit einem Speaker auf der Unterseite auskommen muss, implementiert Huawei im Plus-Modell ein 2-Wege-Lautsprechersystem, bei dem die Hörmuschel als Hochtöner arbeitet, während die tiefen Frequenzen vom Lautsprecher an der Unterseite wiedergegeben werden. Das Ergebnis ist ein für ein Smartphone ausgesprochen voluminöses Klangbild, das beim Anschauen von Youtube-Videos den Unterschied macht.
Press Touch
Neben der normalen Berührung unterscheidet das P9 Plus eine weitere, festere Druckstufe auf dem Touchscreen. Das vereinfacht die Menüführung: Wenn man zum Beispiel stärker auf das Uhren-Symbol drückt, wird ein Kontextmenü mit Optionen für Wecker, Stoppuhr und Timer eingeblendet. Ein nochmaliger Druck öffnet dann die Alarmeinstellungen - man kann also durch zweimaliges Drücken auf die Uhr direkt zum Wecker springen.
Das erinnert nicht von ungefähr an 3D Touch, das Apple mit der neuen iPhone-Generation eingeführt hat. Doch während Apple die Drucksteuerung tief in das iOS-System integriert und die entsprechenden Programmierschnittstellen (API) freigegeben hat, sodass auch Entwickler ihre Apps anpassen können, muss Huawei jede drucksensitive Aktion selbst in das Android-System implementieren. Daher sind die Anwendungen bisher überschaubar, nur eine Handvoll Apps kann damit überhaupt etwas anfangen.
Darüber hinaus ist die von Huawei "Press Touch" getaufte Funktion auf die geschilderten Verknüpfungen und auf eine Vergrößerungsfunktion in der Bildergalerie beschränkt. Es ist also kein Wunder, dass sich Press Touch in einem Untermenü ("Intelligente Unterstützung") hinter dem kryptischen Eintrag "Druckmessung" versteckt. Im aktuellen Stadium der Entwicklung ist Press Touch nicht mehr als ein nettes, aber verzichtbares Extra. Man kann aber davon ausgehen, dass weitere Steuerungsmöglichkeiten per Update nachgeliefert werden. Einmal mehr wird deutlich: Apples so gerne kritisierte Kontrolle über die Hard- und Software hat für den Kunden viele Vorteile.
Starke Ausdauer
Das größere Gehäuse des Huawei P9 Plus bietet mehr Platz für den Akku, im Vergleich mit dem P9 steigt die Kapazität von 3000 mAh auf 3400 mAh. Wie unsere Messungen zeigen, optimiert Huawei außerdem den Stromverbrauch unter Last, sodass am Ende eine hervorragende Laufzeit auf dem Laborprotokoll steht: 8:32 Stunden schafft das P9 Plus im genormten connect-Nutzungsmix. Das ist nicht nur eine deutliche Verbesserung gegenüber dem P9 (6:04 Stunden), sondern auch besser als ein Großteil der Konkurrenz. Über den Tag kommt man mit diesem Smartphone locker, unter Umständen sind sogar anderthalb Tage drin.
Akustik und Funkeigenschaften sind dagegen mit dem kleineren Schwestermodell nahezu identisch, was bedeutet: gutes Mittelfeld mit Optimierungspotenzial, vor allem im GSM- und UMTS-Netz. Wenn die Chinesen hier noch die Stellschrauben anziehen, dann können sie es schaffen, Samsung von der Spitze unserer Bestenliste zu verdrängen. Denn nur die beiden S7-Vertreter reihen sich vor dem P9 Plus ein. Huawei hat also einen Volltreffer gelandet und den Durchbruch geschafft. Das P9 Plus ist eine der Smartphone-Überraschungen dieses Jahres und hat eine klare Empfehlung verdient.
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